Interview mit Jeannette Lichtenstern: Erben und Vererben auf kluge Art und Weise

Wie vererbe ich mein Vermögen, meine Firma, mein Haus? Wie kann ich selbst erben – ohne dass ein großer Teil des Erbes von der Steuer aufgefressen wird? Wie regle ich meinen Nachlass? Das sind Fragen, die viele Menschen beschäftigen. Um darauf Antworten zu finden, habe ich die Steuerberaterin Jeannette Lichtenstern am 20.7.2023 als Interviewpartnerin zu meinem 12. Goldenen Abend eingeladen. Vorab haben wir uns schon einmal über die Eckpfeiler einer vorausschauenden Nachlassplanung unterhalten:

Jeannette Lichtenstern sieht es in ihrer Arbeit als Steuerberaterin immer wieder: Wer sich nicht kümmert, verschenkt nicht nur kreativen Spielraum, sondern auch bares Geld, wenn es ums Erben und Vererben geht.

Die Notwendigkeit einer vorausschauenden Nachlassplanung – sowohl bei den eigenen Eltern, als auch bei dem, was man z.B. seinen Kindern, Freunden oder Geschwistern hinterlassen möchte – ist relevanter denn je, denn die demografische Entwicklung in Deutschland wird in den kommenden Jahren viele Vermögensbewegungen durch Erbschaften nach sich ziehen:

  • Die zahlenmäßig größte Kohorte der Babyboomer – im Jahr 1964 beispielsweise kamen in Deutschland rund 1,4 Millionen Kinder zur Welt – werden demnächst in Rente gehen. Die Eltern dieser Babyboomer geben gerade ihre Vermögen an diese Generation weiter.
  • Die Statistik zu Erbschaften und Schenkungen in Deutschland bis 2021 belegt: Im Jahr 2021 gab es in Deutschland 135.903 steuerpflichtige Erbschaften und 38.839 steuerpflichtige Schenkungen.
  • In jedem Jahr werden in Deutschland etwa 400 Milliarden Euro vererbt, fast die Hälfte davon in Form von Immobilien.
  • Im Jahr 2021 betrugen die Einnahmen aus der Erbschaftsteuer in Deutschland rund 9,82 Milliarden Euro.
  • Aus der Studie „Erben in Deutschland 2015 – 24: Volumen, Verteilung und Verwendung“ geht hervor, dass die langfristige Entwicklung des Erbschaftsvolumens unsicher ist: Zum einen, weil die Erben immer länger und konsumfreudiger leben. Zum anderen sind Vermögen nicht oder nur bedingt vererbbar, wenn die private Altersvorsorge mit Hilfe von staatlichen Fördergeldern aufgebaut wurde. Die Studie prognostiziert, dass in den Jahren 2015 bis 2024 Geldvermögen in Höhe von 597 Milliarden Euro generationenübergreifend vererbt werden. Rund 50% des Geldes sind in festverzinslichen und wenig riskanten Sparguthaben angelegt, ein weiteres Drittel ist renditeträchtiger, aber etwas riskanter in Wertpapieren investiert. Nur noch ein geringer Anteil des Geldvermögens wird in Lebensversicherungen oder Bausparguthaben gehalten.

Streit und Ärger, zersplitterte Vermögen oder Firmen sowie unglückliche, streitende Erbengemeinschaften – das möchte jeder vermeiden, wenn es ums Erben und Vererben geht. Doch nicht selten passiert etwas Unvorhergesehenes und dann stehen Familien im Regen. Manchmal sogar ganze Unternehmen. Das muss nicht sein. Mit Jeannette Lichtenstern habe ich deshalb im folgenden Interview über das kluge Erben und Vererben im Vorfeld unseres Goldenen Abends am 20.07.2023 in Neubiberg bei München gesprochen:

Jeannette Lichtenstern, Steuerberaterin
Jeannette Lichtenstern, Steuerberaterin und Wirtschaftsprüferin, wird beim 12. Goldenen Abend unsere Interviewpartnerin sein

Annegret Kitzmann-Schubert: Liebe Jeannette, immer wieder gibt es Menschen, die dem Thema Testament und Nachlassplanung komplett aus dem Weg gehen. Erlebst Du das auch so?

Jeannette Lichtenstern: „Die Gründe, sich NICHT mit seinem Nachlass oder einem Testament zu beschäftigen, sind vielfältig: Keine Zeit. Keine Lust. Da ist ja noch so lange hin. Das sollen die Erben dann unter sich regeln. Ich kenn mich da eh nicht aus. Das sind die Sätze, die fallen, wenn ich an die Notwendigkeit, Regelungen zu treffen, erinnere. Und natürlich ist es ein sensibles Thema: Wer spricht schon gerne über seinen eigenen Tod bzw. setzt sich damit gerne auseinander?“

Annegret Kitzmann-Schubert: Aus welchen Gründen geht Nachlassplanung Deiner Erfahrung nach schief?

Jeannette Lichtenstern: „Da gibt es viele Ursachen: Menschen reden nicht miteinander, oft kennen sie die Wünsche und Bedürfnisse ihrer Familienmitglieder nicht oder ignorieren sie. In vielen Fällen bewahrheitet sich das Sprichwort ‚Das Gegenteil von gut ist gut gemeint‘ und dann bekommt z.B. jemand ein Haus vererbt, obwohl er eigentlich nach Brasilien auswandern wollte, oder jemand wird Nachfolgerin der Firmenleitung, obwohl sie noch ein Studium machen wollte. Dann kommen immer wieder Familiengeheimnisse und Überraschungen ans Licht, mit denen keiner gerechnet hatte. Ein klassisches Beispiel ist das uneheliche Kind, von dem niemand wusste und das natürlich auch erben möchte. Weitere Gründe für das Scheitern der Nachlassplanung sind es, z.B. eben nicht zu planen oder die Bestimmungen des Erbrechts nicht zu kennen. Häufig treten schon länger schwelende Probleme in der Familie erst offen zutage, wenn die Eltern oder Großeltern ihr Erbe regeln wollen und dabei die Erben mit einbeziehen. Und dann gibt es noch das Dilemma des Lieblingskindes und der schwarzen Schafe in der Familie, das dazu führt, dass sich manches Kind seinen Geschwistern gegenüber benachteiligt fühlt und versucht, Ungerechtigkeiten zu beseitigen. Du siehst: Konfliktpotential ist immer da.“

Annegret Kitzmann-Schubert, Initiatorin und Gastgeberin des Goldenen Abends

Annegret Kitzmann-Schubert: Hast Du kuriose Erfahrungen rund ums Erben und Vererben gemacht?

Jeannette Lichtenstern: „Da gibt es immer wieder unvorhergesehene Entwicklungen und Überraschungen: Uneheliche Kinder tauchen plötzlich auf, Menschen führen über viele Jahre ein Doppelleben, von dem niemand wusste, oft soll der gesetzliche Pflichtteil durch seltsam anmutende Gestaltungen geschmälert werden… Unter jedem Dach ein Ach!“

Annegret Kitzmann-Schubert: Was sind die Eckpfeiler einer vorausschauenden Nachlassplanung?

Jeannette Lichtenstern: „Wichtig ist, dass man sich im ersten Schritt überlegt: Wie möchte ich mein Vermögen gerne weitergeben? Und: Was muss ich tun, damit das dann genau so umgesetzt wird?

Wenn man dafür einen klaren Plan hat, ist alles weitere leicht: Zum Beispiel zum Notar zu gehen, ein Testament oder einen Erbvertrag zu verfassen und eine Person als Testamentsvollstrecker zu benennen. Wichtig ist es, dass die Aufteilung wirklich aller Vermögenswerte und Immobilien geklärt ist. Ich empfehle dringend, sich dabei sachkundig beraten zu lassen, denn oft entstehen auf diesem Weg gute Ideen, auf die man alleine nicht kommen würde.“

Annegret Kitzmann-Schubert: Im Dezember 2022 sind ja plötzlich Scharen von Familien zu den Notaren gepilgert, um ihre Immobilien an die Kinder zu schenken. Was hat das ausgelöst?

Jeannette Lichtenstern: „Seit 2023 fallen für das Vererben von Immobilien höhere Steuern an, da der Wert der Häuser oder Grundstücke künftig anders erfasst wird. Nach dem neuen Gesetz, das Anfang 2023 in Kraft getreten ist, wird der tatsächliche Verkehrswert von Immobilien zugrunde gelegt. Das kann vor allem bei Häusern in guter Lage dazu führen, dass der zu versteuernde Wert um 20 bis 30 Prozent höher liegen kann als im Vorjahr. Viele wählten dafür den Weg, die Immobilie zu Lebzeiten an die Kinder zu verschenken, um den Steuern zu entgehen.

Das ist ein gutes Beispiel für die Notwendigkeit einer klugen Nachlassplanung: Man muss die Gesetze kennen und den Handlungsspielraum. Nur dann kann man rechtzeitig Regelungen in die Wege leiten, die den Erben unnötige Vermögensverluste ersparen. Allerdings sollte man die eigene Versorgung nicht vergessen!“

Annegret Kitzmann-Schubert: Gibt es ein Patentrezept für kluges Erben und Vererben?

Jeannette Lichtenstern: „Meiner Erfahrung nach nicht. Schließlich ist kein Leben wie das andere: Ein Mensch hat Kinder, der andere keine, manche sind verheiratet, manche leben ohne Trauschein zusammen, wieder andere möchten Stiftungen gründen oder ihr Vermögen an wohltätige Organisationen spenden. Manche möchten ihre Familie absichern, manche nur eine Partnerin oder einen Partner. Manche verstehen sich gut mit ihren Erben, bei manchen geht es darum, nach Konflikten den Pflichtteil so klein wie möglich zu machen. Viele müssen abschätzen, wie viel sie für den eigenen Lebensabend benötigen und wie viel sie an ihre Kinder weitergeben wollen, das ist oft gar nicht so leicht. Für jeden gelten andere Bestimmungen und für so manchen Sonderfall gilt es, kreative Lösungen zu finden.

Sich gut zu informieren, mit den Menschen zu sprechen, die man in seinem Nachlass bedenken möchte und sich Gedanken zu machen – das halte ich für das Wichtigste!“

Annegret Kitzmann-Schubert: Wer ist für Dich ein Role Model, wenn es um die Nachlassplanung geht?

Jeannette Lichtenstern: „Aus Gründen der Verschwiegenheit darf ich natürlich keine Namen nennen. Aber es gibt durchaus Familien, die das richtig gut hingebracht haben. Allerdings auch mit einer langen Vorlaufzeit und professioneller Hilfe.“

Annegret Kitzmann-Schubert: Vielen herzlichen Dank, liebe Jeannette, für dieses Interview! Ich freue mich auf die Fortsetzung unserer Unterhaltung beim Goldenen Abend am 20.7.2023!

12. Goldener Abend mit Jeannette Lichtenstern: „Erben und Vererben auf kluge Art und Weise“ am 20.07.2023 um 18.30 Uhr in Neubiberg bei München

12. Goldener Abend mit Jeannette Lichtenstern: „Erben und Vererben auf kluge Art und Weise“ am 20.07.2023 um 18.30 Uhr in Neubiberg bei München

Ob „Dreizehn Stühle“ mit Heinz Rühmann und Heinz Moser oder „Das Haus in Montevideo“ mit Curt Götz und Valerie Martens – im Kino haben uns unzählige Filme rund um kuriose Erbschaften und lachende Erben bestens unterhalten. Doch wie packen wir das eigene Testament an? Für jede und jeden von uns gilt es zu überlegen: Was hinterlasse ich wem wie? Da das Thema Erbe ganz viele Aspekte hat, habe ich diesmal die wunderbare Steuerberaterin und Wirtschaftsprüferin Jeannette Lichtenstern eingeladen, um mit ihr über das kluge Erben und Vererben zu sprechen. Sie lässt uns einen Blick in ihre Schatzkiste mit Erfahrungen rund um Testamente, dem letzten Willen und das Verschenken mit warmen Händen werfen und von ihren Erlebnissen lernen.

Wir legen Wert auf einen kleinen exklusiven Kreis an Teilnehmerinnen, deshalb gibt es nur wenige Plätze. Der Goldene Abend lebt vom wunderbaren Austausch und ich freue mich schon auf die Frauenrunde zu diesem spannenden Thema.

Wertschätzungsbeitrag: 39 Euro (inkl. MwSt.). Bitte melden Sie sich bis zum 13.07. 2023 an unter diesem Link: 12. Goldener Abend mit Jeannette Lichtenstern: „Erben und Vererben auf kluge Art und Weise“ am 20.07.2023 um 18.30 Uhr in Neubiberg bei München.