Romantik und Finanzen – nicht immer ist das eine glückliche Kombination. Ich bin immer sehr zufrieden, wenn ich gemeinsam mit Paaren deren gemeinsame finanzielle Zukunft auf eine solide Basis stelle und wir Lösungen finden, die beide Seiten glücklich machen. Eine ganz besondere Frau, mit der ich in vielen Fällen am gleichen Strang ziehe, ist die wunderbare Psychotherapeutin und frühere Schauspielerin Sabine Kistler. Liebe und Beziehung – das ist der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit, deshalb habe ich mich mit ihr in diesem Interview über Partnerschaft, Geld, Weihnachten und den „Beziehungs-Turbo“ in Zeiten von Corona unterhalten.
Immer noch Homeoffice, kaum soziale Aktivitäten, häufig Geldsorgen und dann auch noch Kinderbetreuung und Homeschooling – liebe Sabine, was erleben die Menschen in Corona-Zeiten mit dem Geld in ihren Beziehungen?
Sabine Kistler: „Paare, deren Problem bislang war, dass sie wegen zu vieler Geschäftsreisen und Unternehmungen mit Freund*innen oder Familie viel zu wenig Zeit miteinander verbracht haben und die dann plötzlich 24 Stunden sieben Tage zusammen sind, erleben das als Glück. Auch für Paare, die sich gut verstehen und sowieso gerne zusammen sind, ist das gut zu bewältigen.
Eng wird es für Paare, die sich schon vor Corona nicht so gut verstanden haben oder in der Krise waren. Bestes Beispiel: Ein Paar, beide berufstätig mit drei kleinen Kindern. Das Paar konnte sich vorher gut aus dem Weg gehen, die Kinderversorgung war geregelt. Jetzt sind plötzlich alle zu Hause und zusätzliche Aufgaben wie Homeschooling kommen dazu. Das ist sehr belastend und erfordert viel Kreativität und Übernahme von Verantwortung – und daraus kann eine neue Chance entstehen.
Auch wenn das Thema Geld mit ins Spiel kommt, kann es sehr schwierig werden, wenn z.B. beide vor Corona gleichermaßen gut verdient haben und einem Partner nun das Geschäft wegbricht – weil er/oder sie z.B. in der Veranstaltungsbranche arbeitet. In diesem Fall werden Rollen neu verteilt – es gibt nicht mehr zwei Verdiener*innen, sondern eine*n Versorger*in und einen Versorgten. Das geht bei Paaren ganz gut, die Großzügigkeit und Fürsorge sowieso schon gelebt haben. Bei Paaren aber, bei denen z.B. ein emotionales Ungleichgewicht besteht – einer sucht mehr Nähe/ Sexualität, der andere zieht sich zurück, o.ä. – kann so ein finanzieller Einbruch die Schieflage noch verstärken.“
Wenn es um Finanzen in der Beziehung geht: Wo ist das größte Konfliktpotential?
Sabine Kistler: „Beim Geiz! Wer keine Sachen oder Geld hergeben mag, nicht mit der/dem Partner*in teilen mag, kleinlich bis zum Cent genau mit der/dem Partner*in abrechnet, rechnet auch in emotionaler Hinsicht immer mit oder ab, hier sprechen die Worte Bände…
Großzügig sein mit Gefühlen, Liebesbekundungen, Unterstützung und auch Geld, das ist es, was die Liebe stärkt und lebendig hält.
Sehr schwierig ist auch, wenn ein Partner – das hat während der Lockdowns natürlich stark zugenommen – anfängt, sehr viele Dinge übers Netz zu bestellen und damit offensichtlich etwas anderes kompensiert und nicht darüber gesprochen wird, was eigentlich los ist, z.B. Gefühle von Angst, Frustration, etc. Ich spreche jetzt nicht von ein paar Bestellungen mehr, sondern einem ganzen Hausflur mit Stapeln von Paketen.“

Beim Candlelight-Dinner frisch verliebt über Geld sprechen: Macht man das heutzutage?
Sabine Kistler: „Ja, aber nur, wenn einer den anderen zum Essen einladen mag. Dann dürfen die beiden auch gerne ein bisschen zanken, das ist charmant.
Ansonsten ist das ein Romantik-Killer erster Klasse, genauso wie die Themen Kinder ja oder nein, Ex-Partner*innen, Kindheitstraumata, etc. Die ersten Verabredungen dürfen genossen werden, das Essen und die Atmosphäre und die Gespräche. Es geht ums Kennenlernen und sinnlichen Genuss und es sollte kein Vorstellungsgespräch werden. So hat es kürzlich ein junger Mann beschrieben, der von den jungen Damen, wie er sie nennt, gerne bis aufs Knochenmark ausgefragt wird. Das hat nichts mit echtem Interesse zu tun, sondern eher mit dem Bedürfnis, eine innere Liste abzuarbeiten – und dazu gehören auch Job, Gehalt, etc. Das Ziel ist, zu schauen, ob der Mann brauchbares Beziehungs- bzw. Vatermaterial ist. Solche Vorstellungsgespräche führen natürlich auch Männer mit Frauen.“
Liebe im Lockdown – wie finden sich Paare überhaupt, wenn die Bars und Clubs geschlossen sind und wir in vielen Alltagssituationen eine Maske tragen?
Sabine Kistler: „Sie finden sich hauptsächlich über Partner-Apps wie Bumble oder Tinder o.ä. Da wird dann mit 1,50m Abstand spazieren gegangen. Es gibt da sehr unterschiedliche Erfahrungen, kann sein, dass das auch mit Regionen zu tun hat und sicher mit dem Temperament der jeweils Suchenden: Meine Münchner Klienti*nnen beklagen ein verschärftes „Wisch- und Weg“, meine Hamburger Klient*innen berichten erfreut, dass während der Lockdowns ungewöhnlich viele nette Menschen in den sozialen Netzwerken unterwegs waren und sind. Und in Berlin hat sich gerade jemand verliebt.
Generell muss einem Online-Dating liegen – und ist ja nicht immer die erste Wahl, wenn alle Bars geschlossen haben. Und es sollte nicht über einen zu langen Zeitraum praktiziert werden. Denn bestimmte Phänomene wie Diskrepanz zwischen Fotos und Realität, Diskrepanz zwischen Geschriebenem per Whats-App und dann tatsächlichem Miteinander-Reden, Parallel-Daten mit mehreren oder vielen Menschen, Ghosten etc., das alles führt immer wieder zu schlimmen Kränkungen.
Aber: Besser als gar nichts und wie gesagt: Es verlieben sich immer wieder Menschen und laut Untersuchung halten online angebahnte Beziehungen genauso lange und gut wie analog angebahnte.“
Das Magazin „Mashable“ berichtet, dass viele Paare eine „Turbo-Beziehung“ im Schnelldurchgang eingegangen sind. Mehr als ein Drittel der Menschen, die seit dem Lockdown neu mit einem Partner zusammengezogen sind, sind der Meinung, dass diese Zeit so intensiv war wie eine zweijährige Verlobung. Ist das ein Trend, den Du auch beobachtest?
Sabine Kistler: „Ich habe akut ein Paar, das das so gemacht hat. Sie haben sich über eine Partner-App kennen gelernt und haben dann ein gutes Jahr zusammen in einer Wohnung verbracht. Sie sind klugerweise auf die Idee gekommen, sich Unterstützung zu suchen, um auch nach Corona zusammen bleiben zu können. Hier sind Themen wichtig wie: Wie regulieren wir unsere Grundbedürfnisse nach einerseits Bindung und andererseits Autonomie?“
Was erleben Paare in Fernbeziehungen?
Sabine Kistler: „Hauptsächlich Stress. Es muss komprimiert am Wochenende gelebt werden, wofür sonst mehr Zeit ist. Am Anfang ist das vielleicht toll und aufregend, aber dann schlägt es meistens in Druck um und will gut und bewusst geplant werden: Wie schaffen wir in der kurzen Zeit eine Atmosphäre von Entspannung und Geborgenheit, damit ausreichend intime Gespräche geführt werden können und Sexualität stattfindet? Wie gestalten wir das ewige Abschied-Nehmen-Müssen? Wie können wir an den kurzen Wochenenden auch andere Dinge unterbringen wie Freunde treffen, etc.?
Ausnahme: Das Paar hat ein Bindungsproblem, dass sich – erstmal – auf diese Weise gut lösen lässt: Bloß nicht zu viel Nähe!“
Gemeinsames Konto, Regeln oder einfach laufen lassen: Was können Paare tun, um das Thema Geld für beide Seiten zufriedenstellend zu bewältigen?
Sabine Kistler: „Das wird sehr unterschiedlich gehandhabt. Es gibt Paare, die nie groß darüber reden, es läuft einfach. Das funktioniert dann, wenn das Paar sich um Vertrauen und echte Nähe kümmert, indem es sich wirklich füreinander interessiert, wirklich umeinander kümmert, regelmäßig Gespräche und körperliche Nähe sucht.
Eine gute Möglichkeit ist es, dass jeder sein eigenes Konto hat und noch ein gemeinsames Konto eingerichtet ist, in das beide – je nach Einkommen – einzahlen.
Es ist sinnvoll, sich darüber zu auszutauschen, was jeder meint, wofür Geld ausgeben werden sollte. Für hochwertiges Essen? Für Spaß nach dem Motto ‚das Leben ist jetzt‘? Urlaube? Sparen für eine Anschaffung? Für die Kinder? Wie das jede*r erlebt, hat zum einen mit der Sozialisation zu tun: Wie haben es die Eltern gehandhabt? Und zum anderen: Welche Träume stecken in den jeweiligen Investitionen?
Ein Paar z.B. hat sich heftig darüber zerkriegt, dass der Mann spontan ein sehr günstiges Häuschen im Ausland erstanden hat, er wollte es herrichten. Seine Frau kam dahinter und hat sich komplett ausgeschlossen gefühlt: Er würde hinter ihrem Rücken gierig raffen. Sein Traum war es gewesen, sie zu überraschen mit einem Ort, an den die weit verstreute Familie zusammenkommen kann. So einen Ort gab es in seiner Kindheit. Sie aber kam aus einer Familie, wo Geld keine Rolle spielt und es immer Sachen statt Zuwendung gab und natürlich hat sie die Aktion ihres Mannes als sehr schmerzhafte Wiederholung erlebt.“

Wie ist das Deiner Erfahrung nach mit Geschenken zu Weihnachten, liebe Sabine? Von „Wir schenken uns nichts!“ bis hin zu teuren Präsenten, Reisen und Juwelen: Wie können Paare Zoff unter dem Weihnachtsbaum vermeiden?
Sabine Kistler: „Meiner Meinung nach sollten sie wie alle anderen Geschenke aus Liebe gemacht werden, großzügig, einfühlsam und von Herzen – und das hat nicht unbedingt etwas mit Geld zu tun.
Ich finde Geschenke toll wie folgende Idee eines jungen Klienten von mir: Er hat seiner Liebsten ein Glas mit Zetteln darin geschenkt, die sie nach Belieben ziehen kann. Und da stehen dann Sachen drauf wie ‚Wir gehen zusammen essen, Du bist mein Gast‘, ‚Ich lese Dir Erzählungen/einen Roman vor‘, ‚Sex nach Wunsch‘, ‚Eine Woche Geschirr spülen‘ etc. Dem anderen etwas zuliebe tun, ihm Arbeit abnehmen, die er nicht so gerne macht, Situationen schaffen, die romantisch sind oder einfach Spaß machen, das sind immer schöne Geschenke.
Gerne aber auch etwas Kostspieliges, womit ich dem anderen sage: ‚Du bist mir sehr viel wert!‘
Das heißt, es ist wichtig, mit Geld eine Botschaft zu verbinden ‚mein Teuerster!‘ und nicht einfach nur Geld oder einen teuren Gegenstand zu verschenken – das wird immer als abwertend erlebt – wieviel Geld dafür auch geflossen ist.
Von Nichtsschenken halte ich nicht so viel – aber das muss ich wahrscheinlich gar nicht sagen. Nichts ist halt Nichts und in der Liebe ist das definitiv zu wenig!“
Danke, liebe Sabine, für das interessante Gespräch!